Gottes Kinder unerwünscht: Die evangelische Kirche Württemberg und die Bigotterie

Lithographie schwarz-weiß. Christus sitzt vor einem Haus, auf seinem Schoß hält er ein Kleinlind, um ihn herum sitzen viele andere Kinder und hören ihm gebannt zu. Dazwischen einige Frauen, im Hintergrund zwei Jünger.

Neueste Entwicklung (ergänzt am 28. 12, 15:30 Uhr): Gerade hat mich Herr Gohl, der Landesbischof, an den der Brief unten im Text ist, angerufen. Es war ein gutes Gespräch, auch wenn wir bei einigen Dingen geteilter Meinung bleiben. Er hat mir aber das Gefühl vermittelt, dass er meinen Ärger und vor allem meine Enttäuschung über das Verhalten der Kirche und ihrer Mitarbeitenden ernst nimmt. Es wird wohl demnächst eine Stellungnahme (mal sehen in welcher Form) geben, indem sich die Beteiligten erklären. Ich hoffe, dass es auch noch zu einem Gespräch mit den Leuten von #LastGeneration kommt und man tatsächlich geplant etwas miteinander macht.

Ich bin knapp 40 Jahre lang überzeugtes Mitglied der evangelischen Kirche gewesen, bin als Ehrenamtliche engagiert, und habe selbst die zum Teil sehr würdelosen Auftritte rund um die Ehe für alle in der Evangelischen Landeskirche Württemberg aus christlicher Demut heraus toleriert. Oder den Quark, der zum Krieg Russlands gegen die Ukraine verzapft wurde und wird. Aber zu Weihnachten ist nun etwas passiert, dafür habe ich wirklich nur noch Ekel und Verachtung übrig, – und das sind keine besonders guten Gefühle, um weiter Mitglied der evangelischen Kirche zu bleiben. Es geht um den Umgang der Landeskirche und der Kirchengemeinde Stuttgart-Möhringen mit den Mitgliedern der Letzten Generation, deren mögliche Anwesenheit während des TV-Gottesdienst zu Weihnachten man als Bedrohung wahrnahm und mit allen Mitteln verhindern wollte. Unter anderem auch dadurch, dass man auf Menschen, die sich VOR der Auferstehungskirche in Stuttgart -Möhringen versammelten, die Polizei gehetzt hat. Eine gute Schilderung des ganzen Vorgangs findet sich beim SWR: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/stuttgart/letzte-generation-gottesdienst-weihnachten-stuttgart-100.html

Ich finde das Vorgehen der Kirche komplett inakzeptabel und halte es für verwerflich. Und überlege mir sehr ernsthaft, aus der Kirche auszutreten. Ich möchte aber auch, dass die Kirchenleitung weiß, dass zumindest ein paar ihrer Schäfchen noch nicht so stumpf geworden sind, dass sie sich einfach alles bieten lassen. Deswegen habe ich diesen Brief an den Landesbischof und die Landessynode geschrieben. Ich bin gespannt auf die Reaktion. Falls hier Menschen aus der Landeskirche mitlesen und sich auch bei der Kirchenleitung melden wollen: Feel free meinen Brief zu adaptieren. Die Adressen findet Ihr hier: https://www.elk-wue.de/wir/landesbischof

Die TAZ hat zu dem ganzen beschämenden Auftritt eine gute Schlagzeile gemacht: „Ihr Klimakinderlein, verpisst Euch“. Das bezieht sich auf diese Geschichte aus dem Evangelium, hier in der Version von Markus 10, 13 ff.:

„Da brachte man Kinder zu ihm, damit er sie berühre. Die Jünger aber wiesen die Leute zurecht. Als Jesus das sah, wurde er unwillig und sagte zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn solchen wie ihnen gehört das Reich Gottes. Amen, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er nahm die Kinder in seine Arme; dann legte er ihnen die Hände auf und segnete sie.“

Ergänzung 28. 12.: Es gibt noch mehr kirchennahe Menschen, die das alles kritikwürdig finden. Hier ein guter Artikel von jemandem aus der EKD-Synode: https://zeitzeichen.net/node/10213

Sehr geehrter Herr Gohl,

dass ich mich für die offiziellen Vertreter*innen meines Glaubens und die Kirche, deren Mitglied ich bin, häufiger schäme oder mich über sie ärgere, gehört für mich, wie wahrscheinlich für die meisten Mitglieder der evangelischen Kirche, schon immer dazu. Als Mitglied der Landeskirche von Württemberg ist man viel gewohnt, das jahrzehntelang praktizierte Herumlavieren um Homosexualität und die gleichgeschlechtliche Ehe möchte ich hier exemplarisch nennen. Ohne Frustrationstoleranz  kann man nicht Mitglied dieser Kirche sein, aber auch die hat ihre Grenzen. Meine sind mit den Aktionen der Landeskirche und der Kirchengemeinde Stuttgart-Möhringen zur Kriminalisierung von Menschen erreicht, die sich mit einem Anliegen an uns als Kirche wenden, das den Kern des christlichen Glaubens betrifft. 

Um den wichtigsten PR-Event der evangelischen Kirche 2022, den Fernseh“gottesdienst“ zu Weihnachten, nicht zu „gefährden“, waren und sind sich die kirchlich Verantwortlichen nicht zu dumm, die Öffentlichkeit und die eigenen Mitglieder über Tag und Uhrzeit der Aufzeichnung zu belügen. (Dass auf der Webseite der ELKWUE, die noch gestern als LIVE verkündete TV-Übertragung stillschweigend zur Übertragung heruntergestuft wurde, ohne auf die Hintergründe der Aufzeichnung hinzuweisen, stärkt mein Vertrauen in die Ernsthaftigkeit, mit der die Kirchenleitung diesen Konflikt angeht, nicht.)

Die Gefahr, in der sich die Veranstalter wähnten, war die Anwesenheit von jungen Menschen der Klimaschützer der Letzten Generation. Sie haben die Einladung der Auferstehungskirche in Stuttgart-Möhringen ernstgenommen, „sich zur Krippe zu stellen und Hoffnung zu tanken: Hoffnung auf einen Neubeginn.” und wollten genau das tun und sich dazu bekennen, dass die Geburt des Sohnes Gottes auch ihnen eine Hoffnung ist. Diese Menschen hat man durch Tricksereien diese Möglichkeit verwehrt und ist, wenn ich die Äußerung von Dan Peters lese, auch noch stolz darauf. 

Meine Kirche hat also Menschen, die sich zu dem bekennen, was wir selbst jeden Sonntag behaupten zu glauben, die Umkehr zu einem ganz anderen Leben, die Tür gewiesen, sie angelogen, und ihnen dann auch noch die Polizei auf den Hals gehetzt. Offensichtlich empfindet man es in der Amtschristenheit nun schon als polizeilich zu ahndende Bedrohung, wenn Menschen vor der Kirche auftauchen, deren Engagement und Glaubenspraxis nicht mit den konsumbürgerlichen Ritualen konform gehen, die Kirchenchristen anscheinend vor allem als Weihnachten feiern. 

Ob ich weiter eine Organisation mitfinanzieren und deren Mitgliederzahlen nicht noch weiter absinken lassen will, die sich so bereitwillig und ohne Not zum Büttel des verhängnisvollen Status Quo macht, für ein bisschen Präsenz in Medien, das werde ich in den nächsten Wochen entscheiden. 

Eine Entschuldigung bei den Menschen, die Sie belogen und aus der Kirche weggestoßen haben, ist das Mindeste, was ich erwarte. 

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Ein Kommentar zu „Gottes Kinder unerwünscht: Die evangelische Kirche Württemberg und die Bigotterie

  1. Danke. Meine Sollbruchstelle lag beim Thema „Umgang mit sexualisierter Gewalt im kirchlichen Kontext“, und es fiel mir ausgesprochen schwer meine Mitgliedschaft zu quittieren. Insofern fühle ich mich bei dem Brief sehr gesehen.

    PS: Ich bin auch nicht wortlos gegangen, habe meinen Kirchenaustritt schriftlich vor der Kreissynode (war dort Mitglied), der Landessynode sowie dem Bischof mitgeteilt

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